Welche Konsequenzen wird das Aufdecken der Spielerhilfe für die Casinos Austria noch haben?
Es herrscht ein reges Gehen bei den Casinos Austria. Seit Jahrzehnten tätige Mitarbeiter verschwinden leise und ohne großes Aufsehen. Nur den Brancheninsidern fällt bei genauem Betrachten der Abgänge ein Zusammenhang auf: Der äußerst mangelhafte Spielerschutz bei den Casinos Austria könnte ein Grund dafür sein.
Spielerschützer und Kredit-Verleiher Herbert Beck
Herbert Beck war sozusagen ein Urgestein bei den Casinos Austria. Er begann seine Karriere beim teilstaatlichen Glücksspielriesen im Jahr 1984. Er schaffte den Aufstieg bis zur Prokura des Unternehmens und leitete die Spielerschutz-Abteilung, intern auch Responsible Gaming genannt. Zu seinen Aufgaben zählte jedoch auch jahrelang die Vergabe von Krediten an Spieler sowie das Sponsoring. Ein Widerspruch in sich. Gleichzeitig Spieler schützen und im selben Atemzug Kredite an spielsüchtige Kunden vergeben? Dies war jahrelang an der Tagesordnung von Beck.
Spieler schützen und ihnen gleichzeitig Geld leihen, um weiterspielen zu können. Dies war lange an der Tagesordnung der Casinos Austria.
Spielerschutz-Krise wegen „profil“-Bericht
Im November 2019 passierte jedoch etwas, mit dem die Casinos Austria nicht gerechnet hatten. In der Zeitschrift profil erscheint ein großer Artikel über einen Spieler, der unfassbar große Summen verspielen konnte, ohne im Sinne des Spielerschutz aufgehalten worden zu sein. All diese Vorgänge fanden unter der Aufsicht des Spielerschutz-zuständigen Mitarbeiters Beck statt. Die Geschichte entwickelte sich rasch zu einem Problem für die Casinos, denn es wurde darüber äußerst umfangreich im Nationalrat von Seiten Politik diskutiert und sogar im ORF in einem eigenen Beitrag berichtet.
Ein profil Artikel sorgte für Panik im Casinos Austria Konzern
Beck verschwindet wenige Tage später in den Ruhestand
Kaum waren diese Diskussionen losgetreten, war Beck persönlich am Weg zu politischen Vertretern und in Kontakt mit Journalisten, um diesen Personen über den aus seiner Sicht guten Spielerschutz in Kenntnis zu setzen. Auch Glatz-Kremsner war damit beschäftigt, die Wogen zu glätten. Beiden gelang dies nur in überschaubarem Erfolg, denn sie hatten bei ihrer Berechnung übersehen, dass es diesmal noch einen weiteren Mitspieler gibt: Die Spielerhilfe.
Ende November 2019 ist Beck aus seinem Job ausgestiegen und nur noch als Berater für das Unternehmen tätig. Erst im Februar 2020, also 3 Monate später, begann sein Nachfolger N. N. war bis dahin für ein österreichisches Konkurrenzunternehmen tätig. Ein geplanter Ruhestand und eine geordnete Übergabe sehen anders aus.
Es hat vielmehr den Anschein, dass Beck schnell weichen musste. Auch an einem Casinos-Standort in Linz in Oberösterreich verschwindet fast zeitgleich ein verantwortlicher Mitarbeiter für Gästebetreuung (insbesondere Betreuung der spielsüchtigen Gäste, Anmerkung) plötzlich spurlos von der Webseite. M. ist in die Gesamtgeschichte der profil-Berichterstattung involviert.
Spielerschutz-Trio Glatz-Kremsner, Beck & Schmid
„Ich liebe meinen Kanzler!“ Thomas Schmid, alleiniger Vorstand der österreichischen Beteiligungs AG (kurz: ÖBAG), kündigte neben Glatz-Kremsner ebenfalls seinen Rückzug an. Er wurde durch seine durchaus peinlichen Chat-Nachrichten an Finanzminister Gernot Blümel und Bundeskanzler Sebastian Kurz österreichweit bekannt. Noch-Casinos-Austria Chefin Glatz-Kremsner, „Spielerschützer“ Beck und ÖBAG-Schmid arbeiten einerseits an verschiedenen Fronten, doch haben sie eines gemeinsam: Laut eigenen Aussagen war Spielerschutz immer eine Art Leidenschaft und wichtige Aufgabe für diese Personen.
Generaldirektorin Glatz-Kremsner kündigte an, ihren Vertrag bei den Casinos nicht verlängern zu wollen und merkte außerdem an, dass sie auch frühzeitig bereit wäre, ihren Sessel zu räumen. Schmid hat bis heute als Aufsichtsratsmitglied bei den Österreichischen Lotterien auch immer die Leidenschaft, sich für Spielerschutz einzusetzen. Auf die Fragen, welche Aufgaben er beim Spielerschutz konkret verfolgt, konnte er im Untersuchungsausschuss jedoch keine detaillierten Angaben machen.
Mit der Spielerhilfe hat die Casinos Austria einen Mitspieler auf Augenhöhe
Glatz-Kremsner war bis 2019 Vize von Sebastian Kurz, ÖVP. Sie war Teil der Regierungsverhandlungen in der ersten Regierung von Kurz. Spielerschutz war dabei kein Thema, wie man dem damaligen Regierungsprogramm entnehmen kann. Aber dafür war sie auch nicht zuständig, gab Glatz-Kremsner jüngst im Untersuchungsausschuss bekannt. Sie beherrscht das politische Spiel perfekt, pflegt bis heute enge Kontakte mit der ÖVP in Niederösterreich. Nur das Verhältnis zu Bundeskanzler Kurz und seinem engsten Kreis soll sich etwas abgekühlt haben, berichten Insider.
Es ist kein großes Geheimnis, dass die Casinos Austria bis heute unangenehme Themen einfach ausgesessen haben. Ignorieren und Aussitzen. Und wenn der Druck stärker wird: dementieren. Dies hat sich bis heute bewährt. Doch mit der Spielerhilfe haben die Casinos Austria so ihre Probleme. Denn laufend bringt der Verein neue Details eines schmutzigen Systems ans Tageslicht und es scheint, als würden dem Spielerschutz-Verein die Themen nicht ausgehen.
Die Casinos haben Spielerschutz jahrzehntelang mit Füßen getreten
In Wahrheit ist es an der brutalen Tagesordnung des Unternehmens, mit den Süchtigsten ihr Geld zu verdienen. Laut Unternehmenskennern machen die Casinos Austria zirka 75% ihres Umsatzes mit nur 3% aller Gäste. Dies ist die bittere Realität.
Die Casinos Austria erwirtschaften den Großteil ihrer Umsätze mit Spielsüchtigen
Bei den Casinos Austria ist Spielerschutz so etwas wie ein Modewort. Ein Accessoire mit dem man sich gerne schmückt, um vermeintlich soziale Verantwortung nach außen zu strahlen. Die Öffentlichkeit soll denken: „Die sind legal, da läuft alles korrekt ab, die machen guten Spielerschutz und schützen die Menschen.“
Liest man Gerichtsakten von Spielern, die in den letzten Jahrzehnten die Casinos Austria verklagt haben, so lässt sich darauf rasch eine Art roter Faden erkennen: Fehlender oder ineffizienter Spielerschutz und ein unternehmensinternes System um Gerichtsverhandlungen in die Länge zu ziehen. Es werden üblicherweise Zeugen geladen. Mitarbeiter, die in den jeweiligen Betrieben vor Ort Kontakt mit den nunmehrigen Klägern hatten, die vor Gericht etwa bescheinigen: „Das Spielverhalten dieser Person wäre uns nicht als problematisch aufgefallen.“ Die meist fehlerhaften Gewinn- und Verlustaufzeichnungen von Spielern werden ebenso versucht wegzuwischen. Die Angestellten vor Ort hätten ja immerhin nicht Ressourcen und Zeit, jeden gesetzten Betrag eines Spielers zu notieren.
Es wäre falsch zu sagen, es gäbe überhaupt keinen Spielerschutz. Denn die Casinos haben schon etwas, was sie vorweisen können. Doch all diese Maßnahmen haben eines gemeinsam: Sie sind nicht effektiv. Und sie schützen nicht davor, dass weiterhin Menschen bei den Casinos Austria ihre Existenz verlieren werden.
Die Casinos Austria wissen das natürlich. Beck wusste es. Glatz-Kremsner weiß das. Doch wer möchte schon seine eigene Einnahmequelle aussperren?
Soziale Verantwortung?
Mindestens so oft, wie das Wort Spielerschutz von Glatz-Kremsner & Co in den Mund genommen wird, fallen im Konzern auch die Worte soziale Verantwortung. Sollte dies für die spielenden und zu einem guten Teil spielsüchtigen Gäste gelten, behaupten wir: Diese gibt es nicht. Glatz-Kremsner hätte während ihrer vielen Dienstjahre öfter ihre eigenen Casinos besuchen sollen. Zu Zeiten, wo auch viele spielende Gäste anwesend sind. Sie hätte gesehen, wie frustriert, erschöpft, deprimiert und hoffnungslos etliche Gäste in den Betrieben spielen, da sie in diesem Moment bereits um ihre finanzielle Existenz gekämpft haben.
Betroffene versuchen teilweise über Spielerklagen Geld von den Casinos Austria zurückzubekommen. Doch auch hier haben die Casinos Austria vorgesorgt. Mit einem System, welches auf Diskreditierung dieser Person vor Gericht abzielt. In der Hoffnung, dass man als Konzern das Geld behalten kann und nicht „irgendeinem spielsüchtigen Junkie“ zurückzahlen muss. Als diese Person noch Geld besaß, nannten sie ihn in den Betrieben vor Ort übrigens noch Kunde.
Casinos Austria hofierten blinde Frau und sahen dabei zu, wie sie ihre Existenz verspielte
Woher das Geld in den Betrieben kommt, spielt offenbar keine große Rolle. In Salzburg wurde eine blinde und schwer kranke Spielerin solange gemolken und abgezockt, bis sie ihr gesamtes Geld verspielte und noch Schulden machte, um weiterspielen zu können. Sie spazierte mit Blindenschleife in die Betriebe und spielte dort an den Automaten, bis sie alles verloren hatte. Sie starb hoch verschuldet, einem 6-stelligen Betrag. Soziale Verantwortung bei den Casinos Austria? Auch in diesem Fall wurde der Spielerschutz missachtet. Zumindest verdursten musste die Dame beim Spielen nie, da ihr laufend Getränke serviert wurden. Der Konzern schreckte selbst bei dieser Person nicht davor zurück, aufgrund äußerst mangelhaftem Spielerschutz, eine weitere Existenz zu vernichten.
Als die Casinos Austria damit später konfrontiert wurden, antworteten sie lediglich, dass sie bei einer weiteren Behauptung dieser Umstände rechtliche Schritte einleiten würden. Auch Glatz-Kremsner wurde über diesen Fall informiert. Passiert ist nichts. Der Konzern weigerte sich bis heute, auch nur einen Bruchteil des Schadens zu ersetzen.
Blind war wohl auch das Personal vor Ort, und der zuständige Spielerschützer Herbert Beck
Glatz-Kremsner beendet nun ihre Karriere im Glücksspielkonzern. Von der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft wird sie als Beschuldigte geführt. Wie es in dieser Sache weitergeht, ist noch offen. Für sie gilt, genauso wie für Thomas Schmid und Finanzminister Gernot Blümel, die Unschuldsvermutung. Einen Preis für Spielerschutz oder soziale Verantwortung wird sie von uns jedenfalls nicht erhalten. Aber vielleicht eilen hierfür ja die Leitbetriebe Austria zur Stelle. Die Casinos Austria konfrontierten wir selbstverständlich mit den Themen aus diesem Beitrag. Bis zum Redaktionsschluss lag uns keine Stellungnahme vor.
Eine abschließende Frage, die wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten können: Wie viele personelle Opfer werden die Casinos Austria in ihren eigenen Reihen noch bringen, um weiterhin den äußerst mangelhaften unternehmensinternen Spielerschutz unter den Teppich zu kehren?