Das Casino American Chance ignoriert einen nach Hilfe schreienden Gast. Dieser verspielt mehr als 180.000 Euro – nicht nur sein eigenes Geld. Manager schließen bewusst die Augen und unterlassen jegliche Hilfeleistung. Nun klagt der Geschädigte. Diese Klage könnte große Auswirkungen haben. Der Betreiber sieht in seinem Vorgehen kein Fehlverhalten.
An der Grenze zu Österreich blüht das Geschäft mit dem Glücksspiel. Unweit von Wien stehen riesige Casino-Paläste und locken dort mit der Chance, den großen Gewinn zu erzielen. Viele Menschen sind dem vermeintlichen Glück bereits gefolgt und landeten kurz darauf in einer zerstörerischen Spielsucht.
American Chance Route 59
Michael (Name geändert) ist einer von ihnen. Der heute 31-jährige spielt seit seinem 15. Lebensjahr Glücksspiele. Automaten, Roulette oder Black Jack gehören zu seinen Spielen. Bei den Casinos Austria ist er gesperrt. Er hatte die Casinos auf Rückzahlung seiner Spielverluste geklagt und einen guten Teil davon zurückbekommen.
In Wien ist seit 2015 das kleine Glücksspiel verboten. Aufgrund seiner Sperre bei den Casinos Austria kann er in Wien nirgendwo mehr spielen. Die Automatensalons „an jeder Ecke“ gibt es nicht mehr. Michael ist immer noch spielsüchtig. Er fährt aufgrund seines Verlangens nach Kleinhaugsdorf an die tschechische Grenze. In Znojmo besucht er nun häufig das American Chance Route 59.
Keinerlei ernsthaftes Interesse an Spielerschutz
Michael spielt und verliert. Große Summen. Sein größter Verlust waren knapp 30.000 Euro – in nur einer Nacht. Als seine finanziellen Reserven restlos erschöpft sind, borgt er sich große Summen von Freunden und Familie. Diese nimmt sich überteuerte Kredite auf. Das Erbe des Vaters wird verspielt. Die Bankomatkarte der Freundin verwendet er für Behebungen im tschechischen Casino, als wäre es sein eigenes Geld.
Er führte zusammen mit seiner Freundin Julia (Name geändert) Gespräche mit dem Casino-Management von American Chance. Sie weist vielfach darauf hin, dass ihr Partner Michael ein Spielsucht-Problem hat. Er hat sogar bereits ein Attest eines psychologischen Gutachters, der ihm eine partielle Geschäftsunfähigkeit bestätigt. Doch all dies interessiert die tschechischen Betreiber nicht. Die Einnahmen sind ihnen wichtiger.
Brisante Video-Aufzeichnungen
Etliche Gespräche mit verantwortlichem Personal zeichnet Michael auf. Das Video-Material konnten wir in vollem Umfang einsehen und analysieren. Dabei wird deutlich, mit welch fragwürdigen Methoden der Casino-Betreiber Spielsüchtige daran hindert, sich selbst dem Spiel auszuschließen. Dabei ist es der Branche bekannt, dass Spielsüchtige unter einem Konrollverlust leiden. Michael kann aufgrund seiner Spielsucht aus eigenen Stücken die Teilnahme am Spiel nicht mehr unterbinden.
„Es fühlte sich alles so unwirklich an. Ich war völlig neben mir. Ich wusste mir in dieser Situation nicht mehr anders zu helfen. Daher zeichnete ich Gespräche mit dem Casino-Manager und Personal auf.“, sagt Michael zur Spielerhilfe
Schamlos und entgegen jedem vernünftigen Denken. So agieren verantwortliche Manager des American Chance. Dass Michael hochgradig spielsüchtig ist und sein Spielverhalten nicht mehr kontrollieren kann, wissen sie. Doch vom Spiel ausschließen wollen sie ihn – trotz vielfacher Gespräche und Aufforderungen seiner Freundin Julia – nicht. Erst, als diese mit einem Anwalt droht, geht alles plötzlich schnell.
„Es tut mir sehr leid, aber hier trennen sich unsere Wege“.
Diesen Satz hörte Michael zwei Tage nach einem weiteren Gespräch mit einem Casino-Manager, bei dem seine Freundin diesem mit einem Anwalt gedroht hatte, sollte ihn das Casino nicht endlich vom Spiel ausschließen. Doch über sein problematisches Spielverhalten wussten die Betreiber schon viel länger Bescheid. Offenbar wollte das Unternehmen durch diesen Schritt rechtliche Probleme vermeiden. Plötzlich war er gesperrt. Eine Casino-seitige Sperre ist also doch möglich, sofern der Wille dazu da ist.
Das aufgezeichnete Video-Material ist umfangreich und hoch brisant. Es zeigt, welche Methoden American Chance zur Anwendung kommen lässt, um mit den Süchtigsten weiter Geld zu verdienen. Mehr dazu wird in einem kommenden Bericht verraten.
Klage gegen American Chance eingebracht
Vor rund einem Jahr kontaktierte Michael die Spielerhilfe zum ersten mal und bat um Unterstützung. Er ist einer von vielen Menschen, die den Verein bisher kontaktiert haben. Nach einigen Telefonaten stellte er einen Kontakt zu einem spezialisierten Rechsanwalt her, der nun eine Klage gegen die Firma hinter der Marke American Chance eingebracht hat. Die Trans World Hotels & Entertainment, a.s., kurz TWHE.
Die Klage selbst könnte zur großen Gefahr für das Casino werden. Geklagt wird nämlich nicht in Tschechien, sondern Österreich. Am Handelsgericht Wien wurde sie eingebracht. American Chance betreibt seine Casinos ausgerichtet an österreichische Kunden. Es werden deutschsprachige Mitarbeiter eingestellt, deutsche Werbungen ausgestrahlt und es kann auch in der Währung Euro gespielt werden. Tschechien hat in der Landeswährung aber keine Euro, sondern Kronen. Auch finden sich in den Casinos fast nur Österreicher als Gäste. Aus diesen Gründen sei die Klage über österreichische Gerichte möglich, so die Meinung von Michaels Anwalt.
Der Spielerhilfe liegt die Klage vollständig vor. Sollte Michael damit Erfolg haben, würde dies vielen spielsüchtigen Menschen helfen. Jene, die an der österreichischen Grenze ihre Existenz verloren haben, könnten so ihre Verluste gerichtlich zurückfordern. Mit heimischen Anwälten und bei einem Gericht in Österreich.
American Chance weist jegliches Fehlverhalten von sich
Im Zuge der Recherche für diesen Beitrag bat die Spielerhilfe um eine Stellungnahme von Seiten der Trans World Hotels und Entertainment – der Firma hinter American Chance. In einer Stellungnahme gab man bekannt, dass es Selbstbeschränkungsmaßnahmen gibt, die jeder Gast aktivieren könne. Eine Sperrmöglichkeit gibt es nur über die neu eingeführte nationale tschechische Sperrdatenbank. Die Rechtsabteilung des Unternehmens ist der Meinung, dass sie nicht für Verluste von österreichischen Spielern haftbar gemacht werden können, sofern diese mit freiem Willen und frewillig zu Besuch kommen würden.
Auf weitere Nachfrage zu konkreten Punkten erhielt die Spielerhilfe lediglich die Rückmeldung, dass „aufgrund von Datenschutz eine Antwort oder Auskunft bezogen auf einzelne Spieler nicht möglich ist„.
American Chance: Start einer Serie
Die Spielerhilfe ist im Besitz von umfangreichem Material zu anfangs genannten Themen. Auch die nun anhängige Klage und deren Ausgang wird viele Menschen in Österreich interessieren. Daher ist dieser Beitrag ein Auftakt zu einer Serie von Artikeln über die Geschehnisse beim Casino American Chance.
Michael macht übrigens seit rund 2 Monaten seine erste Spielsucht-Therapie. Auf Anraten der Spielerhilfe. Der Verein setzt sich für Betroffene ein und wird weiterhin dafür kämpfen, dass der Spielerschutz deutlich erhöht wird.
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